Ich scrolle – wie täglich mehrfach – durch meine Social-Media-Plattformen. Ich bleibe hängen. Am Status eines weißen, männlich gelesenen Freundes von mir. Es ist ein Witz. Es ist ein rassistischer Witz.
Ich merke das, weil er mir direkt negativ aufstößt. Ich spüre Frustration, Ärger, Wut. Ich merke, dass er ein Thema anspricht, das für mich und meinen Partner immer wieder eine Rolle spielt: Fetischisierung. Und ich merke, dass mir das irgendwie direkt auf den Magen schlägt, mich unwohl fühlen lässt und mich ganz schnell fragen lässt: „Warum?“
Ich weiß, dass dieses Gefühl der ausschlaggebende Punkt sein wird, den Witz zu kommentieren. Ich weiß, dass diese Wut mich dazu bringt, unbequem zu werden. Aber ich weiß auch, dass es mich eine kurze Zeit Überwindung gekostet hat. Eben weil ich mich damit nicht in die Reihe der Personen stelle, die diesen Witz fröhlich aufnehmen und ihm sogar noch weiteren Brennstoff geben.
Ich seufze und klicke auf das Kommentarfeld, um in die Tasten zu hauen:
„Das Lesen deines Status lässt mich sehr unwohl fühlen. Er ist aus der Position einer weiß positionierten und männlich gelesenen Person mindestens kritisch, weil er einen Begriff, der in marginalisierten Communities mit rassistischen Machtverhältnissen, Diskriminierung und oft auch mit schmerzhaften Erfahrungen verbunden ist, verharmlosen und ins Lächerliche ziehen kann. Gerade der Begriff ‚Race Play‘ bezeichnet in sexuellen Kontexten das bewusste Nachspielen rassistischer Machtstrukturen, was für viele Betroffene mit Fetischisierung, realen Traumata und gesellschaftlicher Ausgrenzung einhergeht.
Ich kann nicht in der Rolle als Betroffene sprechen. Ich spreche nicht für die Gruppe. Ich verstehe mich eher als Beobachterin und Lernende und kann daher nur auf die Perspektive hinweisen, die eben kollektiv und nicht individuell ist, sie aber nicht vertreten.“
Ich klicke auf Senden. Ich fühle mich gut. Ich habe nicht geschwiegen. Ich weiß aber auch, dass ich vor zwei Jahren geschwiegen hätte. Gelacht hätte. Vielleicht ebenso fröhlich wie andere weiße Menschen kommentiert hätte. Ich bin nicht unschuldig und ich war es nie. Ich weiß auch, dass ich insbesondere in meiner Kindheit viele Witze gemacht und dabei auch das N-Wort genutzt habe. Darauf bin ich nicht stolz, aber ich weiß, ich habe es gemacht.
Und damit habe ich signalisiert, dass es in Ordnung ist, diese Art von Witzen zu machen. Dass es in Ordnung ist, Begriffe zu wählen, die verletzen. Dass es in Ordnung ist, sich die Macht herauszunehmen, das als weiße Person tun zu dürfen. Ich weiß heute aber auch, wie viele Menschen dadurch verletzt wurden. Wie viele Menschen traurig sind, Schmerzen haben und leiden.
Das weiß ich, weil ich eine andere Perspektive bekomme – durch mein aktives Lernen und Zuhören. Und ich weiß auch, dass das nie aufhört.
Ich habe einen Moment, in dem ich stolz bin, dass ich nicht geschwiegen habe. Kurze Zeit später lese ich im Buch von Tupoka ihr Kapitel ‚White Silence‘: „White Silence wirkt, wenn dein Kumpel einen rassistischen Witz macht und du nichts sagst.“ Es lässt mich gut fühlen, dass ich laut und unbequem war und nicht leise.
Und doch frage ich mich: „Ist das ‚White Knighting‘ oder White Saviorism‘?“ Auch wenn ich so etwas kritisiere, bin ich unsicher. Dann kommt der nächste Gedanke, der mir Klarheit verschafft: Als ich darüber schreiben wollte, tippte ich zunächst, dass ein Bekannter einen „ein bisschen rassistischen Witz“ gemacht habe. Und da ist er, der ‚White Tribalism‘. Der Mechanismus, der meinen Bekannten in Schutz nimmt, die Wirkung der Aussage herunterspielt. Denn irgendwie möchte ich für einen kurzen Moment, den Witz als nur ein bisschen rassistisch und nicht als eindeutig rassistisch einordnen. Vielleicht, um meinen eigenen Stamm zu schützen. Ich weiß nicht genau, woher das kommt, was da zusammenspielt, welche Neuronen sich verbinden. Aber ich werde mir bewusst, wie viel Komplexität alleine in diesen letzten zehn Minuten der Reflexion stecken.
Und eines habe ich definitiv gelernt: Man ist nicht „ein bisschen schwanger“. Man ist schwanger – oder eben nicht. Genauso wenig gibt es eine Aussage, die „nur ein bisschen rassistisch“ ist. Eine Aussage ist rassistisch – oder nicht. Sie wirkt – oder nicht.